G8-Gipfel endet, Zwischenstation der altermondialistischen Bewegung

Mit der Pressekonferenz und der „Declaration of Participants in the International Solidarity Days of the G8 Action Network“ ist unsere Aufenthalt in Japan zum Ende gekommen. Die Bilanz für die OrganisatorInnen der Protestaktivitäten dieses Netztwerks ist positiv, auch wenn allen klar ist, dass sie sehr klein waren. Die große Demonstration brachte etwa 5000 Menschen auf die Straße, es gab alternative etwa 80 alternative Veranstaltungen und ca. 350 Menschen in den Camps. Die Bedeutung für Japan ist dies jedoch enorm, ist es doch das erste Mal, dass sich in Japan eine kritische Zivilgesellschaft in dieser Form zu Wort gemeldet hat, erklärte Yoko Akimoto von Attac Japan.

Yoko Akimoto, Attac Japan

Joseph Zacune, FoE und Walden Bello, Focus

Walden Bello von Focus on the Global South sagte bei der heutigen Pressekonferenz, dass er bisher bei keinem G8-Gipfel eine derart repressive Situation erlebt habe. Wie schon beschrieben war die Angst allzu deutlich überall zu spüren. Dies aber auch tatsächlich zu verstehen, war für viele der internationals so auch für uns zunächst schwierig. Für den größten Teil der Bevölkerung ist Protest kein Recht, sondern illegales Verhalten. Wie uns in langen Gesprächen berichtet wurde, hat der bis heute sehr autoritäre Charakter des Staats viel damit zu tun, dass Japan de facto seit dem 2. Weltkrieg ein Einparteienstaat ist, der von der LDP regiert wird und die Staatseliten des faschistischen Japans sich noch bruchloser in das neue System hinüber retten konnten, als dies in Europa der Fall war.

Die Bilanz des Gipfels selbst ist verheerend. Aggressiv versuchen die G8 die gegenwärtige Situation verkoppelter Krisen auszunutzen. Siehe dazu die diversen Pressemitteilungen von Attac: http://www.attac.de/aktuell/presse/

Einige Analysen und Erklärungen zum Gipfel findet ihr unter: http://www.focusweb.org

Abschließende Eindrücke zum Gipfel auch beim Radio Forum: http://www.g8-radioforum2008.org

Der nächste G8-Gipfel wird natürlich bereits vorbereitet. In Italien Berlusconis Italien wieder einmal. Auf die Ereignisse in Genua 2001 wurde im Laufe der vergangenen Tage wiederholt verwiesen. Die Krisen, die z.Z. die Weltwirtschaft erschüttern werden die selben sein. Das zumindest befürchten wir. Aber in Italien werden wir mehr sein und hoffentlich schon einige Schritte weiter für eine andere Welt.

Der Blog ist hiermit im wesentlichen abgeschlossen. In den nächsten Tagen wird es aber sicherlich noch die ein oder andere Information über die Nachwehen des Gipfels geben.

Vielen Dank für euer Interesse!

So long,

Alexis Passadakis & Viviana Uriona

Gefangen!

Inzwischen hat ein Gericht in Sapporo die Haft von drei der in Sapporo Festgenommenen um 10 Tage verlängert. Der ebenfalls festgenommene Reuters-Journalist wurde gestern entlassen. Man erzählte uns das dies so üblich sei. Verhaftete werden erst einmal drei Tage von der Polizei festgehalten, danach kann ein Richter die haft um 10 Tage verlängern und dann noch einmal um 10 Tage. Dieser Spielraum bevor Anklage erhoben wird, wird immer ausgenutzt. Wir rechnen also damit, dass die Gefangenen zunächst die vollen 23 Tage in Polizeigewahrsam sein werden, bevor klar wird, was weiter passiert.

Dazu zitieren die Camp-Toyoura-Pressegruppe und gipfelsoli in einer Pressemitteilung:

Melissa Cohen, britisches Mitglied des Legal Teams, das die G8-Proteste
juristisch unterstützt: „Für jene von uns, die an europäische Maßstäbe gewöhnt sind, ist der Level an Repression schwer nachzuvollziehen“.

Und weiter:
Lisa Suzuta, eine 35-jährige japanische feministische Aktivistin: „Viele von uns sind verängstigt und nervös. Wenn meine Freunde gefangen genommen werden, werden sie lange verhört, selbst in der Nacht. Es ist fast wie Folter. Auch der Druck auf die Familie ist sehr schwer zu verarbeiten, die Häuser der Eltern werden durchsucht“.

Weitere Infos:
http://gipfelsoli.org/Presse

Festnahme des Lautsprecherwagenfahrers: http://www.youtube.com/watch?v=frfl_qdi2Y8
Festnahme des Reuters Journalisten, des Lautsprecherwagenfahrers und Bilder der
Demonstration: http://blip.tv/file/1052811/

Alexis Passadakis

Der dritte Öl-Schock – G8 pfeifen im Walde

Der nun dritte Öl-Schock traf die Regierungen der G8 völlig unvorbereitet. Seit dem letzten Gipfel in Heiligendamm hat sich der Ölpreis auf 140 US-Dollar verdoppelt. Es sei daran erinnert, dass die erste Ölkrise einer der zentralen Gründe für die Einberufung des ersten G6-Gipfels im französischen Rambouillet war. In den vergangen Jahrzehnten haben sie trotz einiger Effizenzsteigerungen völlig darin versagt, die Abhängigkeit der Wirtschaft von Erdöl tatsächlich zu minimieren.

In ihrer Erklärung zur weltwirtschaftlichen Lage, die heute bekannt wurde, geht es ihnen insbesondere um kurzfristige und schnelle Investitionen in die Förderung und in den Raffineriesektor. Diese Forderung ist reine Augenwischerei. Denn Saudi-Arabiens Ankündigung bei der internationale Öl-Konferenz von vor 10 Tagen das Angebot zu steigern, wurde international kaum für bare Münze genommen, da die aktuellen Reserven und Förderkapazitäten tatsächlich begrenzt sind. Zudem gibt es einen Engpass bei Raffineriekapazitäten, das jegliche Ankündigungen von zügig und deutlich steigendem Output als haltlos entzaubert. Vgl. http://www.nytimes.com/2008/06/23/world/middleeast/23saudi.html

Was die G8 gerade versuchen ist « to talk the marktet down », wie es Dave Ernsberger, der Asien-Director des internationale Energie-Informationsdienstleisters Platts in Singapur.

Das alles heißt natürlich nicht, dass nun Exploration und Förderung in Gebieten die bisher nicht von Ölförderung betroffen waren – z.B. in Naturschutzgebieten. Gerade in den USA wird darüber heftig gestritten.

Gewinner der Ölkrise sind auf alle Fälle die Förderländer, deren staatliche Ölfirmen z.Z. enorme Profite einfahren, zudem die multinationalen Ölkonzerne, die im Geld schwimmen.

Am härtesten von der Preisentwicklung betroffen sind Entwicklungsländer, die selbst keine Ölförderung besitzen. Vgl.: http://business.africanpath.com/article.cfm?articleID=52969

Besonders entlarvend ist die Öl-Politik der G8 dann, wenn man sie zu ihrem Klima-Zirkus in Bezug setzt. Angeblich hat Bush das Zugeständnis gemacht, dass in der G8-Erklärung, die morgen Nachmittag vollständig vorgestellt wird, das C02-Reduktionsziel von mindestens 50% bis 2050 enthalten ist. Damit – als Erfolgsmeldung – werden die G8 dann ihre PR-Leute munitionieren, mit einem Zugeständnis eines abgehalfterten Präsidenten für das Jahr 2050. Man kann gespannt sein, wie das medial laufen wird.

Alexis Passadakis

Odori Park: „Rally“ der Rechten und eine Kundgebung der Linke

Heute gegen Mittags fanden in der Odori Park zwei Veranstaltungen statt.

Auf der einen Seite des Parks machten die Rechten eine ihrer typischen Kundgebungen. Laute Sprüche und Menschenfeindlichen Parollen störten die Ruhe des Parks. Allerdings blieb niemand stehen um das zu hören.

Auf einer Straßenseite stehen typische Wagen der Nazigruppen in Japan. In der Regel sind diese Militärgrün. Warum gerade diese Blau sind, kann uns keiner erklären.
Die Schriftenzüge sagen: „Wir unterstützen die Polizei” „Tötet die kommunistische Guerilla

Auf der anderen Straßenseite hält eine Mann aus der „Patriotische Partei für ein großes Japan“ im Militäuniform fremdenfeindliche und nationalistische Parolle. Die Gruppe ist aber keine angemeldete Partei.

Verschiedene linke Gruppen (Teile der Studentenbewegung und Marxisten) machten auf der anderen Seite des Parks ebenfalls eine Kundgebung.

Ca. 50 Personen waren dort versammelt. Vor allem Studenten mit ihren Universitätsflaggen (Okinawa University, die Hokaido University etc.)

Viele trugen Arbeitshelmen, als Ausdruck der Arbeiterbewegung. Ihre wichtigstes Ziel ist eine internationalisierung der Studenten und der Arbeiter weltweit um gemeinsame gegen der Politik der G8 zu agieren. An der Kundgebung namen ausschlieslich JapanerInnen teil.

Viviana Uriona

Erster Gipfeltag – Kulturen des Aktivismus, Einschüchterung und Angst

Um 5:30 Uhr morgens: Aufbruch per Bus zum Toyoura Camp, eines der beiden Camps etwa 26 km vom Austragungsort des Gipfels. Etwa 25 km vor Ankunft wurde der Bus an einer Straßensperre der Polizei angehalten. Einer der Organisatoren eines der drei alternativen Mediencenter, bemühter sich um die üblichen Klärungen. Er gab bekannt, dass die Insassen des Busses alle registrierten Personen der unabhängigen Citizen Media Centers wären. Auf die Frage eines Beamtes nach seinem Namen, antwortet er mit seine Verweigerung sich auszuweisen. Das war für die Polizei ok.
Wir durften weiter fahren und kamen um 8 Uhr im Camp an: Wolkenverhangene sattgrüne Bergrücken, Blockhütten –und Zelte.

Japanische Polizei hält den Bus bei der Autobahnausfahrt zum Toyoura Camp an.

Kurz vor dem Erreichen des Tores kam eine Demo von ca. 50 Personen entgegen gefolgt von eine Auto-Karawane mit Journalisten. Alles JapanerInnen. Wo waren die „Internationals“?

Am Abend zuvor hatte es Diskussionen zwischen Japanern und Internationals über die Aktionsformen gegeben. Legaler Rahmen vs. unangemeldete Aktionen. Vieler Japaner hatten sich für eine angemeldete Demo entschieden, ihnen waren wir begegnet.

Die Morgen wurde mit einem Meeting verbracht um die endgültige Entscheidung zu treffen, was die übrige Gruppe machen würde. Gegen 12 Uhr ging es los. Aktionskonzept loszulaufen, in Richtung des nächsten Bahnhofs, um der Öffentlichkeit zu zeigen wie stark das Versammlungsrecht eingeschränkt wird, wie geringst die Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerung hier sind.

Dauerregen und alle waren nach fünf Minuten bis auf die haut durchnässt. Allerdings tut das der Stimmung keinen Abbruch. Im Gegenteil alle sind wild entschlossen auszutesten, wie weit wir gehen können. Nach 45 Minuten ist dann Schluss. Blaue riot cops blockieren die nasse Landstrasse. Sie geben bekannt, dies sei eine unangemeldete Demo und wir seien aufgefordert zurückzukehren. So lange wir dies befolgen wurden sie niemanden festnehmen.

Dieses Szenario war mit den japanischen Aktivisten abgesprochen worden. Es war klar, dass nicht den Aufforderungen der zu wieder gehandelt würde. Denn die Angst der JapanerInnen vor Repression ist enorm.

Also: der Gruppe kehrt ins Camp zurück. Klar, ist dass man sich spätestens an diesem Montag von großartigen Gipfelprotesten verabschieden muss. Das heißt nicht, dass die Aktionen in den verbleiben Tagen nicht wichtig wären. Sie sind erstens bedeutsam für die japanische Bewegung, zweiten demonstrieren sie der Weltöffentlichkeit wie repressiv die japanische Demokratie ist. Das bedeutet nicht, dass die deutschen Bedingungen polizeilicher Gewalt dagegen verblassen, aber die Grenzen sind hier noch enger gesteckt, die Methoden andere.

Die seit Samstag festgehaltenen Aktivisten können bis zu 23 Tage ohne Urteil in Polizeihaft gehalten werden. Für die Dauer der Verhöre gibt es keine Grenzen. Bis zum vierten Tag nach einer Demo kann jede OrganisatorIn bis zum 4 Tage verhaftet werden. Sie kann für alles verantwortlich gemacht werden, was bei oder im Umfeld der Demo geschah. Insgesamt scheint das Verhalten der Polizei wenig verregelt zu sein, ihre Spielräume sind groß.

Dass unsere japanischen Freunde eingeschüchtert sind, sichtlich Angst haben, bedrückt uns. Zunächst erschien uns das Verhalten der Polizei eher skurill, dies weicht nun einem sehr beunruhigenden Gefühl.

Viviana Uriona/Alexis Passadakis

Polizeistaatliche Repressionen verhindern Grundrecht auf Demonstration

Rund 50 internationale Aktivisten stehen vor rund 50 schwer gepanzerten Polizisten auf einer kleinen
Landstraße, umsäumt von ca. 2 Dutzend Journalisten und Kamerateams. Es wird lautstark verhandelt. Alle sind bis auf die Unterhosen nass vom Dauerregen und dementsprechend genervt. Im Camp wurde vereinbart, dass man sich zurück zieht, wenn es ernst wird. Zu groß ist die Angst vor Polizeigewalt: die Handlungsspielräume der Polizei sind hier leider sehr groß, auch deshalb, weil kaum etwas in den japanischen Gesetzen zum Demonstrationsrecht steht. Noch schlimmer ist allerdings die japanische Art der gesellschaftlichen Repression: Mitteilungen an Familie, Nachbarn und Arbeitskollegen, dass man sich nicht an die Gesellschaftsordung halte. Und so wird schließlich auch Druck auf die internationalen Gäste gemacht.

Sabine Zimpel

Erste Aktionen der Camps

Während man in Deutschland noch schlummert, vielleicht gerade erst ins Bett gegangen ist, macht sich auf der anderen Seite unserer Murmel eine kleine Gruppe Japaner auf den Weg aus dem Camp „Touyoka Forest“ zu einer angemeldeten Demonstration von ca.10 km Länge. Das diesjährige Luxus-Hotel, in dem die G8 sich treffen, liegt ca 20 km entfernt am Lake Toya. Das ist einigen internationalen Gipfelgegnern zu wenig Aktion. Auch wenn die Bedenken wegen unerfahrener und über-agierender Ordnungskräfte groß sind, so will eine Gruppe von rund 50 Menschen aus den USA, Italien, Frankreich, Deutschland und anderen Ländern doch noch mal was anderes zu versuchen. Man sieht sie nicht, aber man geht davon aus, dass die Polizei nicht weit weg ist… Diese unglaublich schöne Landschaft bietet eben beides: run and hide.

Hier hat sich mal jemand die Mühe gemacht, wichtige Orte bei google-maps einzutragen:

http://maps.google.de/maps/ms?ie=UTF8&hl=ja&msa=0&msid=113674397198428115264.000450358163ac80f1017&ll=42.828646,141.166077&spn=0.614366,1.417236&z=10

Sabine Zimpel

Seit Heiligendamm nichts gelernt – Medienberichterstattung zum G8 in Japan

Zur Demo in Sapporo am 5.7. berichtet die Agentur AP um 15:28 Uhr:

„Tausende Bereitschaftspolizisten säumten die Straßen. Zu einer kurzen
Rangelei kam es, als Polizisten die Scheibe eines Fahrzeugs
einschlugen, mit dem einer der Demonstranten die Strecke blockiert
hatte. Unter den vier Festgenommen war ein Kameramann der
Nachrichtenagentur Thomson Reuters.“
Ursache und Wirkung werden hier verkehrt. Einer der beiden Lautsprecherwagen wurde von der Polizei gestoppt, um einen Zugriff auf den DJ auf der Ladefläche durchzuführen. Daraufhin begann der Fahrer des Lautsprecherwagens laut zu hupen. Die Polizei schlug das Fahrerseitenfenster ein. Und verhaftete auch den Fahrer. Den beiden Festgenommenen des Lautsprecherwagens wie auch der beiden weiteren festgesetzten Personen wird „Behinderung von Polizeiarbeit“ als einziges Vergehen zur Last gelegt.

Alexis Passadakis

Der Kapitalismus in der Krise – Interview mit Walden Bello

In diesem Interview schildert Walden Bello welche Auswirkungen die gegenwärtigen Krisen auf den Kapitalismus und die Hegemonie des Nordens haben, skizziert die Unterschieden zu den Krisen der 70er Jahre und spricht über neue Klassenbildungsprozesse und die sozialen Kräfte, die soziale und ökologische Gerechtigkeit einfordern. Auf Englisch.

http://www.g8-radioforum2008.org/category_16/

Viviana Uriona & Alexis Passadakis

Mehr Bilder der Demo gegen die G8 vom Samstag, 5. Juli

Hier ein noch eines unserer Bilder: die japanischen Frauen-Sektion von Via Campesina.

Weitere Bilder von denen man inzwischen mehr und mehr im Internet findet, unter:

http://anticapitalistas.net/2008/07/acoso-policial-a-la-manifestacion-antig8-en-sapporo/

Alexis & Viviana